Kann eine KI die Arbeit von Kurator*innen übernehmen und mithilfe richtiger Prompts eine gelungene Ausstellung kuratieren? Dieser Frage widmete sich mein Forschungsprojekt, das im Folgenden näher vorgestellt wird.
Im vergangenen Semester beschäftigte sich ein Forschungsseminar von Prof. Dr. Kohle und Julian Stalter mit der Frage, inwiefern KI und Kunstgeschichte eine wissenschaftliche Symbiose erleben könnten. Im Zuge dessen sollten die Studierenden ihre eigenen Ideen und Projekte ausarbeiten und vorstellen.
Da ich persönlich mich sehr für die Museumsarbeit und das Kuratieren interessiere, habe ich mich dafür entschieden, zu testen, inwiefern ein Large-Language-Modell wie ChatGPT in der Lage ist, eine Ausstellung zu erstellen. Um das Thema weiter einzugrenzen, habe ich mich auf das Format einer Retrospektive beschränkt. Thematisch fiel die Wahl auf den Künstler Ernst Wilhelm Nay, da es zu ihm 2022 in der Hamburger Kunsthalle eine Retrospektive gab, die ich besucht sowie noch gut vor Augen hatte und zu der es einen ausführlichen Katalog gibt.
Die wichtigste Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen des Projektes war es, mit den richtigen Prompts zu arbeiten und somit ChatGPT konkrete Fragen zu stellen. Den Chat habe ich zunächst mit einigen einleitenden Fragen begonnen um zu testen, inwieweit Daten zum Künstler, seinem Leben und Œuvre überhaupt für die KI zugänglich sind.
Anschließend habe ich das Large-Language-Modell aufgefordert, mir das Konzept für eine solche Retrospektive zu erstellen. ChatGPT verfasste ein Konzept, welches einen konkreten Titelvorschlag lieferte, einen kuratorischen Ansatz sowie die Zielsetzung definierte, Werke chronologisch in Räume sortierte und sogar eine Idee für ein umfassendes Begleitprogramm lieferte. Äußerst positiv überrascht von dieser sehr ausführlichen und konkreten Antwort, wollte ich die Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz noch weiter ausreizen und bat darum, die Retrospektive innovativer aufzubauen. Daraufhin bekam ich ein neues Konzept präsentiert, welches nun nicht mehr einen chronologischen, sondern narrativen Ansatz verfolgte.
Nach weiteren Nachfragen zur Raumgestaltung, den Wandtexten sowie dem Begleitprogramm der Ausstellung hatte ich schließlich in enger Zusammenarbeit mit ChatGPT eine innovative Retrospektive zu Ernst Wilhelm Nay kuratiert. Unter dem Titel „NAY: Echos der Farbe – Kunst erleben, fühlen, hören“ werden die Arbeiten des Künstlers in thematisch benannten Räumen gezeigt. Zu jedem Raum gibt es konkrete Anweisungen zur Wandfarbe, Belichtung und Ausstellungsarchitektur. Auch Wandtexte formulierte ChatGPT aus, die einleitende Worte zu den jeweiligen Kapiteln der Retrospektive liefern. Doch nicht nur Nays Arbeiten werden berücksichtigt, so schlägt ChatGPT für einen Raum eine Gegenüberstellung mit zeitgenössischen Kunstschaffenden, so etwa Katharina Grosse, vor. Auch multimediale Elemente wie interaktive Zeitlinien oder Audio-Inhalte werden integriert. Zudem gibt es auch ein Konzept für einen begleitenden Katalog, der den innovativen Charakter der gesamten Ausstellung aufgreift, indem interaktive Elemente, eingebaut werden. So gibt es zusätzlich zu den Essays und Werkanalysen auch QR-Codes, über die Leser*innen zu weiteren digitalen Angeboten gelangen. Das vorgeschlagene Begleitprogramm erwies sich ebenfalls als außerordentlich vielfältig, so empfiehlt ChatGPT Symposien, Workshops aber auch Führungen für ein diverses Publikum, dass auch Angebote in leichter Sprache oder mit multisensorischen Elementen beinhaltet.
Alles in allem war ich positiv überrascht von den Ergebnissen, die ChatGPT erzielte. Dennoch gab es einige Aspekte, die verbesserungswürdig sind und bei denen die KI eventuell doch an ihre (momentanen) Grenzen stößt.
So fallen im Konzept besonders die Wiederholungen auf, ChatGPT schlägt für verschiedene Themen immer wieder dieselben Werkreihen vor, die dort gezeigt werden könnten. Auch die endet die Kreativität der KI bei der Varianz der Wahl der interaktiven Elemente, die Vorschläge begrenzen sich zumeist auf Angebote, bei denen Besucher*innen bestehende Bilder verändern oder neu anordnen können. Weiterhin ist ChatGPT trotz spezifischer Nachfrage nicht in der Lage, konkrete Werktitel zu nennen. Es werden stets Werkreihen genannt, aber keine expliziten Titel. Das wohl größte Defizit stellt jedoch die fehlende kunsthistorische Tiefe dar. So konnte ChatGPT trotz der konkreten Aufforderung die Wandtexte nicht so bearbeiten, dass sie einen kunsthistorischen Kontext zu den Bildern bieten. Vielmehr blieb es bei allgemein einleitenden Worten, die grob die Ideen hintern den im jeweiligen Raum gezeigten Werken erklären.
Kann ChatGPT nun also die Arbeit von Kurator*innen ersetzen? Nein. Large-Language-Modelle, wie ChatGPT eines ist, können Kurator*innen dabei helfen, Konzepte auszuarbeiten und erste Ideen in eine strukturierte Schablone umzuwandeln. Werkgruppen können thematisch zusammengefasst und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden, außerdem bietet ChatGPT Vorschläge zur räumlichen Gestaltung, die dann auf die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten angepasst werden können. Vielmehr als Kurator*innen zu ersetzen, stellt ChatGPT also eine helfende Hand dar, deren Entwürfe durch kunsthistorische Fachkenntnis und menschliche Kreativität ergänzt werden müssen.
In meiner hier hinterlegten Forschungsarbeit in bearbeiteter Form können die Ergebnisse genau nachgelesen werden, dort werden auch weitere Projekte vorgestellt, die andere KI-Modelle für die kuratorische Praxis getestet haben.