Wie stark beeinflussten die Architekten von Burgen die zeitgleiche Sakralarchitektur – und umgekehrt?
6. Dezember 2024
Wie stark beeinflussten die Architekten von Burgen die zeitgleiche Sakralarchitektur – und umgekehrt? Dieser spannenden Frage widmete sich im November 2024 eine internationale Tagung in Marburg.
Der große Saalbau des Marburger Schlosses gehört zu den bedeutendsten mittelalterlichen Profanbauten Deutschlands und ist bis heute in seiner ursprünglichen Architektur weitgehend erhalten geblieben. Doch trotz dieses Umstands stellen sich große Herausforderungen, wenn es darum geht, seine historische Gestaltung und architektonischen Einflüsse zu rekonstruieren. So hat der Bau nicht nur seine ursprüngliche Farbigkeit verloren, sondern auch das imposante Dachwerk, das im 19. Jahrhundert einem eiserneren Dachstuhl weichen musste. Diese Verluste erschweren es, die Rolle des Saalbaus in der Baugeschichte des 13. und frühen 14. Jahrhunderts genau zu bestimmen.
Diesen Herausforderungen widmete sich eine internationale Tagung, die kürzlich von Jörg Stabenow am Kunstgeschichtliche Institut der Philipps-Universität Marburg organisiert wurde. Angereist aus München waren von der LMU auch Stephan Hoppe und Christa Syrer. Thematisiert wurden die Parallelen zwischen dem profanen Schlossbau und der fast gleichzeitig errichteten Schlosskapelle und der etwas älteren Elisabethkirche im Tal unterhalb der Burg. Experten aus verschiedenen Ländern präsentierten Forschungsergebnisse, die zeigen konnten, dass Elemente der Burgarchitektur klare Bezüge zur Sakralarchitektur älterer Kirchen in Frankreich und Köln aufweisen. Besonders spannend war die Beobachtung, wie diese Einflüsse in der Folgezeit über Marburg hinaus nach Straßburg ausstrahlten und so den Weg für die Entwicklung eines großen architektonischen Zentrums bereiteten.
Die Tagung zeigte eindrucksvoll, wie eng die Bauprojekte dieser Zeit miteinander verflochten waren – sei es durch wandernde Baumeister, technische Innovationen oder ästhetische Präferenzen. Der Verlust der ursprünglichen Ausstattung des Saalbaus konnte durch die internationale Perspektive der Teilnehmer zumindest teilweise kompensiert werden, indem man sich auf vergleichbare Bauten und erhaltene Elemente stützte.
Die Ergebnisse der Tagung werden mit Spannung in einer Buchpublikation erwartet, die nicht nur für die kunsthistorische Fachwelt, sondern auch für alle Interessierten und Verantwortlichen am Schloss selbst von großem Interesse sein dürfte. Zurzeit ist nämlich unklar, wann mit der dringend notwendigen baulichen Sanierung des Marburger Schlosses begonnen werden kann. Eine gründliche wissenschaftliche Vorbereitung erspart hier Umwege und hilft, nicht wiedergutzumachende Fehler zu vermeiden. Auch das entspricht nachhaltigem Handeln. Wer die lebhaften Diskussionen vor Ort verpasst hat, muss sich leider mit der erwarteten gedruckten Version begnügen, da es keine digitale Übertragung oder Aufzeichnung gab.